Der Wille ist da…

Entsetzt habe ich auf den Zeitstempel meines letzten, kleinen Beitrags auf dieser Site geblickt. 10. Juni 2015. Peinlich. So geht es nicht!

Doch woran ist es in diesem einen Jahr gescheitert? Natürlich, an der Zeit. Als Volontär hat man genug zu tun, die abendlichen Sitzungen von Ortschaftsräten oder Vereinen wollten ja besetzt werden. Vielleicht habe ich das unterschätzt. Und das Pendeln zwischen Leipzig und Magdeburg ist auch nicht unerheblich gewesen.

Aber was soll ich sagen? All das ist vorbei. Die Sorgen, ob ich denn übernommen werde, sind Geschichte, denn ich bin es. Die Magdeburger Volksstimme hat mir knapp acht Monate vor dem offiziellen Ende meines Volontariats einen Job als Online-Redakteur angeboten, den ich seit 1. April 2016 auch gern angenommen habe. Die nötige Zeit für das Volo habe ich absolviert, jetzt heißt es am News Desk in Barleben Dienste schruppen und Projekte umsetzen. Ich freue mich sehr, dass mir so viel Vertrauen entgegengebracht wird und ich diesen Posten bekommen habe. Meine Motivation volksstimme.de weiterzuentwickeln und „Die Zeitung von hier“ in den sozialen Medien zu etablieren ist immens. Voller Tatendrang beginnt eine neue Phase des Lebens und ich bin gespannt, was die kommenden Monate und Jahre noch alles zu bieten haben 🙂

Ps.: Ich will auch wieder regelmäßig hier schreiben. Der Wille ist da…

Die Krux der Meisterschaft

Ich habe mich gefreut. Nein, das wäre untertrieben. Ich bin vor Freude auf und ab gesprungen. Der Grund? Der 1. FC Magdeburg ist Meister in der Regionalliga Nordost. Eigentlich mehr als ein Grund zum Feiern, wenn man seit Jahrzehnten auf genau diesen Moment gewartet hat.

Warum aber wurde ich trauriger, je weiter der Abpfiff wegrückte? Die Antwort? Ist ganz einfach: Der Europapokalsieger, dessen Fan ich bin, seit ich denken und gegen einen Ball treten kann, muss noch in die Aufstiegsrelegation.

Natürlich freue ich mich noch immer, dass die Blau-Weißen eine tolle Saison – auch mit zwei starken Auftritten im DFB-Pokal – gespielt haben. Doch im schlimmsten Fall ist es völlig egal, ob sie mit einem Tor, einem Punkt oder 100 Zählern auf Platz eins stehen. Mit zwei Spielen, die sie nicht einmal verlieren müssen, kann die ganze Saison verloren sein.

Das geht natürlich nicht nur den Magdeburgern so, sondern auch den Kickers aus Offenbach oder jedem anderen Teilnehmer der Aufstiegsrelegation zur 3. Liga.

In der Bundesliga wurde unlängst das Freistoßspray eingeführt, eine Torlinientechnologie gibt es auch schon in diversen Profiligen in der Welt. Warum? Weil es ja umso viel Geld, ja um das Geschäft gehe, so das Urteil der Fußballfunktionäre von FIFA, Uefa und DFB. Aber geht es nicht auch beim FCM oder den Kickers um Geld? Um Arbeitsplätze? Um eine gesamte Region? Warum darf es sein, dass ein Meister der Kreisklasse C aufsteigt, aber ein Meister einer Regionalliga noch mit zwei Spielen eine gesamte Saison in den Sand setzen kann.

Die Relegation an sich ist nicht schlimm. So hat der Drittletzte der Bundesliga noch immer eine Extra-Chance die Klasse zu halten. Aber Fakt ist auch, dass jeweils der Erste problemlos aufsteigen darf.

Es ist einfach unfair vom DFB. Dabei spreche ich nicht als Fan des 1. FC Magdeburg, sondern als Fan des Fußballs. Wie kann es sein, dass ein Meister nicht direkt aufsteigen darf? Wie kann es sein, dass ein Meister nicht aufsteigt, obwohl er vielleicht sogar die gesamte Saison über nicht verloren hat? Für mich gibt es dafür keine logische Erklärung.

Dafür, dass der DFB immer wieder davon spricht, die Basis zu stärken, den Amateuren den Rücken zu stärken, dann sollte er den Amateuren aus der Regionalliga nicht auch noch Steine in den Weg legen, wenn sie kurz davor sind, in den professionellen Fußball aufzusteigen. Ich hoffe sehr, dass sich die Fans als auch die Verantwortlichen in den Landesverbänden dafür stark machen werden. Es würde dem Fußball in ganz Deutschland nur gut tun.

Amateurfußball at its best

Samstagnachmittag, 15 Uhr. Nein, ich habe mich nicht auf den Kampf um die Europa-League-Plätze oder gegen den Abstieg aus der Bundesliga vorbereitet. Nein, am vergangenen Samstag habe ich mal wieder dem puren Amateurfußball gefrönt.

In Magdeburgs Stadtoberliga ging es hoch her. Der Tabellenführer Roter Stern Sudenburg empfing den Letzten SKV Meridian. Es versprach von vornherein ein Torfestival zu werden, immerhin hatte der SKV noch keinen einzigen Punkt ergattern können und vor dem Spiel fast 100 Gegentore bekommen.

20150509_153415

Schnell wurde mir klar, dass die Freizeitkicker zwar Ideen hatten, doch die Umsetzungen dieser haperten. Aber dafür ist es noch echter Fußball, dachte ich mir. Immerhin habe ich jeden Kommentar auf dem Platz auch daneben gehört. Schnell dachte ich mir, dass auch Xherdan Shaqiri mal kurz in Magdeburg vorbeigeschaut hatte, wobei die Nummer 4 dann doch nur so aussah wie der kleine Schweizer.

Ein Carsten Jancker im Sudenburger Trikot traf leider nicht das Tor und zur Halbzeit stand es – so ganz anders als von mir erwartet – nur 1:0 für den Gastgeber. Doch man kann nicht immer ein Halbfinale wie bei der WM 2014 zwischen Deutschland und Brasilien. Die Frage war nun: Spielen sie es locker runter oder setzen die Hausherren noch einen drauf? Sie taten letzteres. Und aus dem mauen Spiel der ersten 45 Minuten entwickelte sich wirklich ein Torfestival. 8:1 stand es beim Abpfiff. Da hatte dann David Neumann drei Tore gemacht und Kenny Kreiser sowie Andreas Gerlach zwei.

20150509_152249

Kurz vor dem Schluss waren die Spielereignisse in der Tat nebensächlich. Bei 6:0 macht man ja auch nicht mehr so viel. Vielmehr amüsierten mich die immer wieder auftretenden Wortgefechte zwischen dem langen Abwehrrecken (er sah aus wie ein junger Jens Todt) der Gäste mit dem kleinen Assistenten an der Seite. Die Abseitsfalle des SKV wollte nämlich nicht so ganz funktionieren wie er es wollte. Dumm nur, dass es auch ausgerechnet der SKV-Todt war, der immer wieder das Abseits auflöste.

Aber egal, wie das Spiel endete und wie lustig man sich manchmal machen kann (das ging ja auch gut beim Fall des Baum-Boateng in der Champions League), sie alle verdienen großen Respekt für das Aufreiben in den Niederungen des deutschen Fußballs. Schon allein als ich das Aneinanderschlagen von Knieschonern gehört hatte, wurde mir beinahe schlecht. Und: Besser als die Spieler am Samstag auf dem Platz bin ich keineswegs. Zeit, um das durchzuziehen habe ich auch nicht. Also großen Respekt an die zahlreichen Amateurkicker in Deutschland!

von Steindy (Diskussion) 10:01, 27 June 2011 (UTC) (Eigenes Werk) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) oder CC-BY-SA-3.0-2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Waldemar Hartmann über Joachim Löw: „Er tut so, als ob er dem Team das Fußballspielen beigebracht hätte“

Im Rahmen der Leipziger Buchmesse tummeln sich in der Heldenstadt allerlei Mitglieder der schreibenden Zunft. Autoren, aber auch Künstler reisen im März eines jeden Jahres nach Leipzig, um die jeweils neusten Werke zu bewerben und vorzustellen. Darunter war in diesem Jahr auch Waldemar Hartmann. Wir haben den Kultmoderator getroffen. Im exklusiven Gespräch für Goal.com sprach ich mit ihm über die TV-Landschaft von heute, die deutsche Nationalmannschaft und seinen FC Bayern München. Aber auch ein Lob für Borussia Dortmund sprang heraus.

„Keine Wehmut, sondern Good Feeling“

Um 19 Uhr soll „Waldi“, wie Waldemar Hartmann seit Schultagen gerufen wird, mit seiner Lesung im Bayerischen Bahnhof beginnen. Davor findet er noch Zeit für ein Gespräch mit mir. Kaum sitzt er, kommt schon die typische Leipziger Gose, ein obergäriges, leicht säuerliches Bier, an den Tisch. „An die Gose muss ich mich wieder gewöhnen“, gibt er offen zu. Kein Wunder, es ist eben doch kein Weißbier. Das soll er erst zur Lesung auf den Tisch bekommen.

Am Ort seiner letzten Sendung, „Waldis Club“ tritt er noch einmal auf. „Da schließt sich schon der Bogen. Und bei mir ist keine Wehmut, sondern Good Feeling“, beschreibt Hartmann sein Gefühl bei der Rückkehr in seine Schalterhalle.

Bei der ARD herrscht das „krankhafte Bemühen, alles komplett anders zu machen“

Im vergangenen Jahr war Schluss. Der Kultmoderator, die „Duzmaschine“, musste in Rente gehen. Seine Sendung passte nicht mehr so richtig in die Pläne der ARD, obwohl die Verantwortlichen des MDR für ihn kämpften. Inzwischen wird aus dem Ruhrpott gesendet.

Schmunzelnd merkte der 65-Jährige zu dem Nachfolger seiner Sendung an: „Ich stelle fest, es ist das krankhafte Bemühen, alles komplett anders zu machen, als es bei Waldis Club war. Deswegen muss aber nicht alles besser sein.“

Die „Uniformierung“ der Sky-Reporter

Mit dem Ende der Bildschirmpräsenz endete auch eine kleine Ära von Reportern der alten Garde, wie Hartmann anmerkte: „Ich weiß gar nicht, ob welche aussterben müssen, weil ja kaum noch welche da sind. Bei den Field-Reportern, das klingt einfach alles so gleich. Bei den Antworten aber auch. Ich habe das Gefühl, die Spieler haben alle den gleichen Coach – die Interviewer aber auch.“ Es sei „eine Gleichschaltung im Diktat, im Duktus, einfach in allem“. Man erkenne kaum noch jemanden heraus: „Mit großer Lust höre ich Marcel Reif noch raus. Er hat für mich einen hohen Unterhaltungswert und eine große Kenntnis vom Fußball.“

Bei Sky seien alle „gut“, aber keiner einzigartig. Kai Dittmann sticht etwas hervor, doch ist in „Waldis“ Augen ein wenig „oberlehrerhaft“. „Die Uniformierung geht über die Kleidung, direkt zum Frisör, zum Stylisten und so wird es am Ende alles ziemlich ähnlich und ziemlich gleich“, sagte der Kultmoderator weiter.

Das Buch ist „kein böses Foul, aber ein taktischer Rempler im Mittelfeld“

Der gebürtige Nürnberger polarisierte, war vor allem wegen seines Duzens mit den Interviewpartnern bekannt, stellte aber in dem Gespräch klar, dass er auch nur Leute duze, die er kenne und „heute wäre ich mit 80% der Nationalmannschaft per Sie, weil ich sie einfach nicht kenne. Ich weiß auch nicht, warum es so hoch getragen wird, denn im Sport geht man anders miteinander um.“

Inzwischen ist Waldemar Hartmann auch unter die Schriftsteller gegangen, hat seine mit großer Spannung erwartete Autobiografie pünktlich zu seinem 65. Geburtstag und zur Leipziger Buchmesse veröffentlicht. Das Buch ist ein netter Blick hinter die Kulissen der Person Hartmann und keine bitterböse Abrechnung. Hartmann weiß aber auch „das mich nun drei oder vier Menschen bei der ARD nicht mehr ins Abendgebet einschließen, das war mir vorher klar. Auch, das da ein paar Türen zu gehen, doch ich will auch nicht, dass wieder welche aufgehen.“ Kurz und knapp zusammengefasst: „Es war kein böses Foul, aber ein taktischer Rempler im Mittelfeld.“

„Leverkusen bleibt eh nie bis zum Ende stabil dran“

Seine alte Liebe heißt Bayern München. Wo ein neuer Meisterstern am Bayernhimmel aufging, wartete Waldemar Hartmann mit den Meisterinterviews und auf ihn die obligatorische Weißbierdusche. Die Meisterschaft könnte schon an Ostern in trockenen Tüchern sein, „weil sich die anderen auch noch gegenseitig die Punkte abnehmen. Dann stolpert Dortmund und Leverkusen bleibt eh nie bis zum Ende stabil dran.“ Die Stärke des Rekordmeisters machte er auch schnell ausfindig: „Ribery zieht, wie Robben auch, raus, aber die Gegner können nicht sicher sein, wohin er geht. Beim Robben weiß man das.“

Im Sommer kommt der neue Trainer Pep Guardiola an die Säbener Straße, wofür es auch vom Franken ein Kompliment gab: „Hammer! Es gab weltweit große Verneigung vor diesem Coup. Auf jeden Fall geil. Damit haben sie den Anspruch gestellt, auch den Spielern den Anspruch gestellt. Ich kann aber nicht sagen, was er schaffen wird. Lasst ihn mal kommen und machen.“

„Löw tut so, als ob er dem Team das Fußballspielen beigebracht hätte“

„Ich kann es nicht mehr hören, wenn Jogi Löw so tut, als ob er dem Team das Fußballspielen beigebracht hätte. Die Bundesliga hat sie ausgebildet. Kein Bundestrainer hatte so viele begnadete Kicker zur Verfügung. Wir ernten die Früchte, die der oft gescholtene Mayer-Vorfelder säte.“ Nach der EM 2000 entwickelte der DFB sein Nachwuchskonzept, wonach jeder Profiverein ein Nachwuchszentrum haben muss.

Inzwischen wurde es zur Voraussetzung für eine Lizenz in den Profiligen. „Da kommen die Götzes her. Sie können Fußball spielen. Lasst die Jungs spielen, sie können es.“ Gegen Italien hat sich der Bundestrainer gnadenlos verschätzt und „erst wenn es ihm alle nachweisen, sagt er was und ist immer noch beleidigt“. Dies sei einfach nur „ungut“ und die DFB-Elf könne etwas gewinnen, ebenso „kann Dortmund auch die Champions League gewinnen“.

(Bildquelle: von Steindy (Diskussion) 10:01, 27 June 2011 (UTC) (Eigenes Werk) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) oder CC-BY-SA-3.0-2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)%5D, via Wikimedia Commons)

Verzicht

Endlich ist die Zeit der Jecken und Narren vorbei. Selbstverständlich toleriere ich die Feierlichkeiten, aber viel abgewinnen kann ich ihnen nicht. Auch das ständige Berieseln im Fernsehen hat Gott sei Dank ein Ende. Dafür hat nun die Fastenzeit begonnen. Eine 40 Tage währende Zeit, in der man Verzicht übt. Fleischlos leben ist der Standard, aber viele Menschen verzichten auch auf die eine oder andere Nascherei. Zu diesen „vielen Menschen“ gehöre ich auch. Auch wenn Martin Luther einst gesagt hat, dass Fasten nicht notwendig sei, so halte ich mich seit Jahren daran. Immer müssen dann die kleinen Süßigkeiten zwischendurch daran glauben. Warum? Die Antwort ist ganz einfach: Das ist die größte Herausforderung für mich. Fleischverzicht? Nicht so schwer, wenn man jahrelang Vegetarier war; Alkohol schon gar nicht, wenn man kaum welchen trinkt. Also habe ich mich wieder einmal für die Süßigkeiten entschieden. Vorbei ist nun das Greifen in die Keksdose am Schreibtisch. Mal sehen, wie hart es wirklich werden wird…

Bildquelle: taesmileland/freedigitalphotos.net

Sommer, Sonne und andere Schönheiten…

Heute saß ich bei bestem Sonnenschein im Büro. Schnell habe ich mich da an Salvador bzw. die WM 2014 in Brasilien erinnert gefühlt. Es war nicht nur wegen des Titels für die deutsche Nationalmannschaft einfach traumhaft…

Mein „Spaziergang“ durch Magdeburg

Natürlich wusste ich was Pegida ist. Ich habe mich ständig informiert, den Überblick behalten, aber so richtig nahe war es mit nicht. Bis zum Montagabend, als ich den Ableger in Magdeburg „besucht“ habe.

Magida heißt er in der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts. Ich wollte mir eine eigene Sichtweise zulegen, vielleicht auch ein paar Zeilen für diesen Blog schreiben. Also machte ich mich auf den Weg. Zuerst sah ich NoMagida direkt auf dem Alten Markt. Schnell sah ich bekannte Gesichter. Okay, für jemanden, der früher selbst Kontakte zur linken Szene hatte und bei den Grünen war, ist das wohl wenig verwunderlich.

Ein paar Hände schütteln, alten Weggefährten zunicken und so weiter. Als es an die Musik aus dem Truck ging, verabschiedete ich mich, um mal einen Blick auf die andere Seite zu werfen. Ich wollte ganz nah ran. Gesagt, getan.

20150209_184841

Ich blickte in die Augen vieler Senioren, auch Kinder und Jugendliche waren mit ihren Eltern vor Ort. Meine Augen wanderten weiter umher. Sie erblickten eindeutig rechte Leute, die sonst nur auf NPD-Kundgebungen auftreten. Auch die Rednerin (Sigrid Schüssler) des Montags hat bekanntlich eine Vergangenheit in der rechten Szene und passt nur zu gut dorthin…

Ich ließ meinen Blick weiter schweifen. Dann kam der Moment des Schrecks. Eine Situation, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Ich sah ihre Augen. Ich blickte tief hinein, sie erkannte mich nicht. Gut so, dachte ich mir. Es wäre wohl auch etwas peinlich geworden. Immerhin verbindet uns – zumindest noch immer theoretisch – eine gemeinsame Vergangenheit.

Die Dame, die ich dort erblickte, war keine Verflossene, die auf einmal am sehr konservativen Rand unserer Gesellschaft steht. Nein, es war die gutherzige Nachbarin. Jene nette Dame, die mich als kleinen Jungen oft aufnahm, die mir Kekse gab. Sie war keine alte Oma damals, dass ist sie aber heute. Sie stand unter den  Menschen, die lautstark „Wir sind das Volk“ schrien und den Ruf aus Leipzig von vor 25 Jahren missbrauchen.

Ich konnte mir nie vorstellen, dass mich eine solche Bewegung so treffen würde. Natürlich habe ich damit gerechnet, dass ich viele Leute bei den Gegendemonstranten sehe, mit denen ich auch schon marschiert bin. Doch auf der falschen Seite bekannte Gesichter oder zumindest ein von früher sehr vertrautes zu sehen, das hat mich schon geschockt. Ich konnte mir es nicht vorstellen, dass in meiner näheren Umgebung – egal ob heute oder in der Vergangenheit – solche Leute leben oder gelebt haben. Ich kann es eigentlich auch noch immer nicht. Ich hoffe sehr, dass diese Dame die Ausnahme ist und sonst niemand mehr in meinem Umfeld ausländer- und islamfeindliche oder rassistische Gedanken in sich trägt. So etwas geht überhaupt nicht. Auch außerhalb meines Umfeldes nicht. Man sollte sich dafür schämen. Punkt.

Roadtrip mit Klavier

Als ich vor zwei Wochen von Magdeburg nach Königswinter fuhr, brauchte ich sieben Stunden. Ein Grund zu hoffen, dass die Rückfahrt hoffentlich nicht so werden wird. Wurde sie nicht. Sondern ganz anders.

Der Höhepunkt war Köln. Hoch erhob sich der Kölner Dom in die Luft. Die Sonne schien, der Himmel war klar und blau. Die Kälte fuhr mir in die Beine und die Hände. Nichtsdestotrotz wollte ich unbedingt mal wieder dieses Gotteshaus sehen. Die Sonne tunkte ihn in warme Farben, nichts war von den Problemen zu erkennen, die sich hinter dem dicken Gemäuer verbarg.

Davor bildete sich schnell eine Menschenmenge. Erst dachte ich mir nichts. In Kölle gibt es ja schließlich genug zu sehen, auch auf der Straße. Doch bei genauerem Hinschauen verbarg die Menge einen Straßenmusiker der besonderen Klasse. Daniel Kiefert spielt drei oder auch vier Mal die Woche auf dem Domplatz. „Just for Fun“, wie er sagt. Das Repertoire ist groß, die Stimmung famos. Schnell werden es mehr Leute, die sich um den Pianisten drängeln. Vereinzelt wird mitgesungen. Eilige Geschäftsleute bleiben kurz stehen, Touristen aus dem fernen Asien trauen ihren Augen nicht und schauen ungläubig.

Freundlich bedankt sich Kiefert für jede Spende. Sein Konzert dauert rund 30 Minuten und reißt die Kölner wie auch die Reisenden für einen kleinen Moment aus dem Stress des Alltags. Einmal kurz inne halten, durchatmen und den wohligen Klängen des Klaviers lauschen. Der 33-Jährige spielt seit Jahren, sagt von sich selbst, dass er die Menschen mit „einem guten Gefühl“ nach Hause schicken wolle.

Vor dem Dom liegen sich die Leute in den Armen, wärmen sich und freuen sich über den Mann mit dem Piano. „Ich finde Klassik super“, sagt eine Passantin und gibt dem Künstler etwas Geld.

Die Menschen spüren die Musik vor dem gewaltigen Dom. Die Freiheit, die auch Kiefert selbst so sehr schätze wird für einen Moment spürbar. Ein Klavier auf der Straße zu spielen. Die Leute zu begeistern, zum Nachdenken zu ermuntern. Das nennt auch Kiefert Freiheit. Natürlich könne man ihn auch buchen, antwortete er auf die Frage eines Mannes. Aber das Gleiche ist es nicht. In Anzug und Krawatte spielt er dann, nicht in Alltagskleidung. Nicht zum Glück der „normalen“ Menschen. Die Freiheit hat er nur vor dem Domplatz. Mit seinem Klavier.