Blutiges Berlin

Neue Leute zu treffen ist immer so aufregend, ja ich war ganz hibbelig. So habe ich mich den ganzen Sonntag über gefühlt. Bis 20.15 Uhr. Dann ertönte endlich die altbekannte, sonntägliche Tatort-Musik aus meinem Fernseher. Das neue Berliner Ermittlerduo war an der Reihe und die Episode begann gleich mit einem blutverschmierten Mädchen, das durch das nächtliche Berlin irrte.

Schnell wurde auch klar, dass die Ermittlerin Nina Rubin – gespielt von einer stark berlinernden Meret Becker – alles andere als die „normale“ Großstadtmama ist. Ihr wortkarger und eitler, neuer Kollege Robert Karow – gespielt von einem kalten Mark Waschke – macht ihr ebenso zu schaffen, wie die Probleme in den heimischen vier Wänden. Dass die Auflösung des Falles nicht so spektakulär war, wird durch die unheimlich spannenden Geschichten der Ermittler aufgefangen.

Wie geht es zwischen beiden weiter? Was genau ist mit dem einstigen, inzwischen toten Kollegen Karows passiert?

Der Fall „Das Muli“ war keiner der ganz herausragenden im Tatort. Dass Jugendliche in ihrem Körper Drogen transportieren, dafür Geld bekommen und auch daran sterben, ist nicht neu. Sowohl ist es Realität wie auch in der Fiktion schon zahlreich behandelt worden.

Auch die Tiefe der Nebenfiguren war – ausgenommen des bösen deutsch-libanesischen Kleinganoven (Kida Khodr Ramadan) – nicht allzu tief kennzeichnet. Den kleinen, unter Familienstress leidenden Mafia-Boss aber, stellen Drehbuchautor Stefan Kolditz und Regisseur Stephan Wagner exzellent dar. Erst schlitzt er eine Muli brutal auf, ist blutverschmiert und erklärt dies seiner Frau mit einem Autounfall, bei dem er Erste Hilfe geleistet habe. Dann wieder holt er seine Töchter vom Ballett ab, soll französisches Wasser besorgen und ist einen Moment später wieder auf der Jagd nach de, verloren gegangenen Drogenkurier names „Jo“.

Dass ausgerechnet er am Ende mit einem Kopfschuss gerichtet wird, sich am Tatort des Mordes (?) an Karows Kollegen dann doch eine Kugel findet, von dem Karow bis dahin nichts wusste, verspricht viel. Vielmehr erzeugt es so aber auch eine gewisse Erwartungshaltung. In der Hoffnung, dass die Tatortredaktion des RBB diese stillen kann, freue ich mich schon auf Fall Nummer 2! Und ja, hibbelig bin ich auch schon.

Foto: Photo by anankkml. Published on 07 April 2013 Stock photo – Image ID: 100155926 by freedigitalphotos.net

Blutig, aber sehenswert

Die erste Szene zeigt einen Mann, der blutgetränkt in seinem Keller steht, sich die Hände wäscht und dann wieder ins Haus zurückgeht. Edgar Selge spielt einen gutmütigen Arzt, der später ale „Heiliger“ von einem Zeugen tituliert wird.

Die Szenen spielen in der neuen Serie „Verbrechen“ des ZDF. Der Strafverteidiger und Schriftsteller Ferdinand von Schirach hat ein Band mit Kurzgeschichten verfasst. Das Erschreckende daran ist, die Fälle beruhen auf wahren Begebenheiten aus seiner Kanzlei. Das Buch rangierte wochenlang auf den Bestsellerlisten und nun hat es das ZDF verfilmt. Die Serie kommt ungewohnt blutig daher.

Die Fälle spielen im Alltag eines jeden Menschen. Der gutmütige Arzt wird terrorisiert, er lebt mit dem Terror des Alltags einer katastrophalen Ehe. Seine Frau beschimpft, macht ihn sprichwörtlich zur „Sau“. Der Tod der Gattin ist der einzige Ausweg aus diesem Dilemma. So lockt er die Angetraute in den Keller, nimmt eine Axt und spaltet ihr den Kopf. Mit mehreren weiteren Hieben trennt er die Gliedmaßen und den Kopf ab. Das Blut ist im Keller sichtbar, die Kamera scheut es nicht.

Das Ende ist umso überraschender. Der gutmütige Doktor wird zu drei Jahren Haft verurteilt, die er im offenen Vollzug verbringen darf, solange er sich jeden Tag im Gefängnis einfindet und einer geregelten Tätigkeit nachgeht.

Der Wahlspruch des Advokaten ist mehr als einfach nur passend: „Ein Anwalt will nicht immer wissen, was eigentlich passiert ist. Es ist eine Art Gratwanderung. Ob der Anwalt glaubt, dass sein Mandant unschuldig ist, spielt keine Rolle. Seine Aufgabe ist es, den Mandanten zu verteidigen. Nicht mehr und nicht weniger.“

Mit dieser Serie traut sich das ZDF in eine neu Form der Unterhaltung, dafür gebührt es dem Sender Respekt. Ich hoffe nur, dass sie genug Marktanteile holt, damit sie nicht dasselbe Schicksal erleidet, wie so viele andere sehenswerte Serien im öffentlich-rechtlichen Fernsehen…